Der Virgo-Galaxienhaufen I
Die Highlights des Virgo-Galaxienhaufens II ©Gerald Willems Im ersten Teil des Berichts zu den Highlights des Virgo-Galaxienhaufens hatten wir uns bevorzugt um einige der markanteren Messier-Galaxien gekümmert. In diesem zweiten Teil soll es nun im Wesentlichen um besondere Galaxien aus dem NGC gehen.
Markanter
Zentralbereich:
NGC 4438 und NGC
4435, Mithilfe des vier Meter großen Mayall-Teleskops auf dem Kitt Peak gelang den dortigen Forschern im Jahr 2008 eine Überraschung. Man fand 400000 Lichtjahre lange Ranken an ionisiertem Wasserstoff zwischen der elliptischen Riesengalaxie M 86 und der benachbarten Spirale NGC 4438 (Abb. 2). Auch zwischen diesen beiden unterschiedlichen Galaxien muss es eine enge Begegnung, wenn nicht sogar eine Kollision gegeben haben. Bei Kollisionen anderer kleinerer Galaxien, bei denen es zu keiner besonders großen Aufheizung der Gase kommt, stellt man in der Regel deutliche Sternentstehung fest. Das enthaltene Gas dieser beiden Galaxien muss sich aber extrem erhitzt haben. Die Temperatur muss Größen erreicht haben, bei denen die sonst stattfindende Sternentstehung zum erliegen kam. Man geht davon aus, dass es in diesem Fall eine Kollision mit ungewöhnlich großer Geschwindigkeit gegeben haben muss. Das unterschiedliche Verhalten der in Galaxien enthaltenen Materie kann also Aufschlüsse darüber liefern, wie verschieden sich Kollisionen mit hohen oder eher geringen Geschwindigkeiten auswirken [2]. Von den beschriebenen Wasserstofffilamenten ist allerdings in einer eigenen Aufnahme des Autors derselben Region nichts zu sehen (Abb. 3). Die enorme Ausdehnung der elliptischen Riesengalaxie M 86 sieht man in dieser Aufnahme jedoch deutlich.
Drei Galaxien in
Kantenlage: Man geht heute davon aus, dass NGC 4216 sich mehrere kleinere Galaxien einverleibt hat. Ein Vorgang, auf den man bei vielen großen Spiralgalaxien, wie auch bei unserer Milchstraße, schließen kann [3]. Rückstände dieser Geschehnisse sind noch immer sichtbar. Eine invertierte Abbildung mit stark gestrecktem Histogramm zeigt NGC 4216 mit einem so genannten antiken Sternstrom, der als Rest der ehemaligen einverleibten Zwerggalaxien übrig geblieben ist und sich vom südwestlichen Ende der Galaxie in ostnordöstliche Richtung hin erstreckt (Abb. 5).
Ungleiches
Pärchen:
Die
Siamesischen Zwillinge: „Da passt kaum ein Briefbogen dazwischen“, beschrieb Wolfgang Steinicke einmal diese enge Konstellation [7]. Auch bei diesem Galxienpaar sollte es eigentlich deutliche Auswirkungen durch Gravitation zu sehen geben. Man erkennt aber auch hier weder irgendwelche Gezeitenschweife noch eine erhöhte Aktivität bei der Sternentstehung. Auch Verformungen sind an beiden Galaxien nicht zu erkennen. Das Besondere ist sozusagen, dass es nichts Besonderes gibt. Und auch bei dieser Konstellation stehen die Wissenschaftler vor einem Rätsel. Bis heute konnte dieser widersprüchliche Sachverhalt nicht aufgeklärt werden.
Bemerkenswerte
Spirale: Bis heute gibt es keine bessere Methode galaktische Entfernungen zu bestimmen als die Cepheiden-Methode. In einem Hubble-Projekt ist die Entfernung dieser Galaxie mit dieser Methode auf 52 ± 3 Millionen Lichtjahre bestimmt worden [9]. Die verlässlichsten Entfernungsdaten für Mitglieder des Virgohaufens basieren zu großen Teilen auf der Messung veränderlicher Sterne, wie die schon erwähnten Cepheiden. Als zweite Methode kommt die Helligkeitsmessung von Supernovae in Frage, wobei besonders Supernovae vom Typ 1a, die als so genannte Standardkerzen Anwendung finden, die verlässlichsten Daten liefern [10]. Die teilweise hohen Differenzen der Radialgeschwindigkeiten zwischen den einzelnen Mitgliedern des Virgohaufens zeugen von der großen Dynamik innerhalb des Galaxienhaufens. Die Eigengeschwindigkeiten der Einzelgalaxien überlagern die Radialgeschwindigkeit des gesamten Haufens oft beträchtlich und machen eine Entfernungsbestimmung mit Hilfe der Rotverschiebung (Hubblekonstante) unmöglich. Betrachtet man nicht nur die Radialgeschwindigkeiten der hier vorgestellten Galaxien, sondern untersucht den gesamten Galaxienhaufen mit einer gewissen Systematik, so könnte es interessant werden, ob sich dabei Tendenzen abzeichnen, die auf eine systematische Verteilung der Geschwindigkeitsgradienten schließen lassen. Auch Vergleiche zu benachbarten größeren Galaxienhaufen könnten dabei aufschlussreich sein. Eine derartige Untersuchung würde hier und jetzt den Rahmen aber sprengen und ich möchte es als eine Aufgabe für einen späteren Artikel ankündigen. Jetzt, wo das Frühjahr vor der Tür steht, wird der Virgo-Galaxienhaufen wieder für viele Beobachter und Fotografen ein Ziel sein. Wenn dieser Bericht für den einen oder anderen eine Anregung für neue Aktivitäten darstellt, so wird sich die Arbeit daran gelohnt haben. Quellen: [1] http://chandra.harvard.edu/photo/2003/ngc4438/ [2] http://www.noao.edu/outreach/press/pr08/pr0807.html [3] http://www.starobserver.org/ap101127.html [4] http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/sim-basic?Ident=NGC+4298&submit=SIMBAD+search [5] http://www.noao.edu/outreach/aop/observers/n4298.html [6] http://iopscience.iop.org/1538-4357/659/2/L115/pdf/21463.web.pdf [7] http://www.klima-luft.de/steinicke/Artikel/siam_twins.pdf [8] http://spider.seds.org/ngc/revngcic.cgi?NGC4535 [9] http://www.noao.edu/outreach/aop/observers/n4535.html [10] http://www.weltderphysik.de/de/4245.php?ni=1733
|