NGC 281


NGC 281 - Der Pacmannebel

 

@Gerald Willems

Die sommerliche Milchstraße bietet uns eine große Zahl an interessanten Objekten, die eine Beobachtung oder Fotografie lohnen. Vom Horizont aus im Sternbild Schütze bis über den Zenith hinaus zum Cepheus ist die Bühne prall gefüllt mit den verschiedensten Objekten. Knapp ein Grad östlich von Shedir (alpha Cas) befindet sich ein äußerst interessanter Emissionsnebel. NGC 281 oder auch Pacmannebel, wie dieses Nebelgebiet wegen eines einfachen Videospiels genannt wird, bildet hier eine eindrucksvolle Erscheinung. Wie oft bei derartigen Gebieten, besteht dieser Nebel aus verschiedenartigen Bestandteilen. Im Wesentlichen ist es Wasserstoff, der durch heiße und energiereiche Sterne angeregt wird und im tief roten Bereich leuchtet. Umgeben ist dieser Wasserstoff von dunklem kalten Staub, der den Blick auf den Hintergrund behindert. Zusammen mit neutralem Wasserstoff stellen diese Molekülwolken die ausgeprägten Strukturen dar, die solche Nebelgebiete besonders interessant machen. Der eingebettete Sternhaufen, IC 1590, der  innerhalb dieses Gebietes entstanden ist, rundet das Erscheinungsbild ab. Die Einzelheiten dieses Nebelgebietes sollen in diesem AdM besprochen werden.

Werfen wir zunächst einen Blick auf den offenen Sternhaufen IC 1590. Man rechnet im Nebelgebiet und in der Umgebung des Nebels 279 Sterne dem offenen Sternhaufen zu. Im nahen Infrarot werden allerdings weitere Mitglieder des Sternhaufens gefunden, die durch Staub- und Molekülwolken der visuellen Beobachtung entzogen sind [1]. Der dominierende Stern dieses offenen Haufens ist der 8,4 mag helle Doppelstern HD 5005 (WDS J00528+5638AB) [2]. HD 5005 sorgt mit seiner energiereichen UV-Strahlung für den größten Anteil der Ionisation der umgebenden Wasserstoffgebiete. Die beiden Komponenten des Doppelsterns teilen sich in die Komponente A vom Spektraltyp O6,5 und der Komponente B vom Spektraltyp O8 auf. Der Farbindex des Doppelsterns liegt bei B-V = 0,01, was bedeutet, dass wir ihn im blauen Bereich erwarten können.

Die den Sternhaufen umgebenden Wolkengebilde stellen die wesentlichen Anteile von NGC 281 dar. Leuchtende Gaswolken und verdunkelnde Staub- und Molekülwolken bilden hier ein bizarres Erscheinungsbild. Auffällig sind besonders helle Bereiche an den Übergängen zwischen Dunkelwolken und den helleren flächigen Bereichen. Hierbei handelt es sich um so genannte Bright Rims. Nach S.R. Pottasch [3]  kommen derartige hellen Bereiche nur in diffusen Emissionsnebeln vor und stehen immer in einer festen Verbindung mit einem oder mehreren anregenden heißen Sternen - in diesem Fall HD 5005. Besonders scharf zeichnen sich diese Bereiche an den Übergängen zur lichtabsorbierenden dunklen Nebelzonen ab.

Was hat es mit diesen Bright Rims genau auf sich?
Deutlich sieht man in den vorliegenden Aufnahmen, dass diese hellen Zonen in Richtung des anregenden Sterns oder der anregenden Sterne gerichtet sind. Wir können davon ausgehen, dass HD 5005 seine Umgebung bereits mit seinem Strahlungsdruck "frei geräumt" hat. Der Stern hat Materie nach außen befördert und die energiereiche UV-Strahlung kann das verhältnismäßig dünne restliche Gas ionisieren. Bis auf die in den Gesamtkomplex hineinragenden dunklen Molekülwolken wird das Gas ionisiert und zum Leuchten in seinen spezifischen Wellenbereichen angeregt. An den Rändern der deutlich dichteren Molekülwolken kommt es ebenfalls zur Ionisation und damit zu Leuchterscheinungen, wie in den Aufnahmen zu sehen. Hier sind es allerdings auch durch Strahlungsdruck beschleunigte Partikel, die mit der Umgebung kollidieren. Womit die besonders hellen Bereiche, die Bright Rims, erklärbar werden. Die dichten dunklen Bereiche der Molekülwolken werden von der UV-Strahlung nicht getroffen und erscheinen dunkel. Solange der anregende Stern seine erodierende Wirkung auf die Molekülwolken ausübt, schreitet ein Prozess voran, der zum Abbau der dichten Materiewolken beiträgt. Auch die Ausformung in Säulen ist typisch für diesen Prozess. Wir kennen diese Vorgänge an den bekannten Säulen im Beispiel des Adlernebels besonders eindrucksvoll.

 Dort, wo die UV-Strahlung zur Ionisation beiträgt, stehen diese Gasanteile zur Bildung neuer junger Sterne nicht mehr zur Verfügung. Anders ist es innerhalb der dunklen deutlich kühleren Molekülwolken. Hier befinden sich die Keimzellen, die weitere neue junge Sterne hervorbringen können. Dazu trägt einerseits die Dichte im Innern der Molekülwolken bei, indem sie unter ihrer eigenen Masse kollabiert; andererseits fördert der Strahlungsdruck des zentralen anregenden Sterns die Komprimierung der Molekülmassen. Wir blicken hier auf einen galaktischen Recycling Prozess, wie er typisch ist in den gas- und staubreichen Gebieten der Spiralarme unserer Milchstraße. In nur wenigen Millionen Jahren werden Sterne, wie der in diesem Fall zur Lichtemission anregende HD 5005 explodieren und als Supernova schwere Elemente bilden. Diese werden sich mit den Materiemassen der Umgebung vermischen und innerhalb kalter Molekülwolken erneut zur Bildung neuer Sterne beitragen können.

 Molekülwolken bestehen hauptsächlich aus molekularem Wasserstoff H2 und haben eine Temperatur von 10K bis 20K. Ihr Anteil beträgt ca. 70%. Der überwiegende Rest ist atomarer Wasserstoff H1. Dazu kommen Kohlenmonoxid CO und Staub aus verschiedenen chemischen Elementen. Das Vorhandensein des Kohlenmonoxids und des Staubs ist ein sicheres Anzeichen für schwere Elemente, die auf bereits stattgefundene Supernovae hinweisen. Innerhalb der Molekülwolken können bis zu 1% der Materiemasse aus Staub bestehen. Er ist verantwortlich dafür, dass Molekülwolken undurchsichtig sind, wie wir es in den unten dargestellten Aufnahmen von NGC 281 auch sehen. Der Anteil des Staubs hat weitere Einflüsse auf die Entwicklung und das Erscheinungsbild einer H-II-Region. Er streut das vorhandene Sternenlicht im Blauen deutlich stärker als im Roten. Eingebettete junge Sterne erscheinen damit röter. Da der Staubanteil an den Rändern einer Molekülwolke abnimmt, findet man derart gerötete Sterne dort vermehrt. Natürlich dürfen wir hier nicht die Rötung eines Sterns mit der Rotverschiebung durch Dopplereffekte verwechseln. Gelingt es, das Spektrum eines dieser jungen Sterne aufzunehmen und seine absolute Helligkeit zu ermitteln, ist auch seine Spektralklasse bekannt. Der Grad der Rötung kann dann ein Hinweis auf die Dichte der Molekülwolke sein. Des Weiteren wird Strahlungsenergie vom Staub absorbiert und als Wärmestrahlung in den Raum abgegeben. Es ist ein wichtiger Kühlvorgang, der dafür sorgt, dass der Prozess der Materieverdichtung, der zur Sternentstehung notwendig ist, nicht vorzeitig zum Erliegen kommt [4].

Warum können nur die kalten Materiemassen neue Sterne bilden?
Nun, die Gravitationskräfte sind der eigentliche Antrieb, der für den Kollaps einer Molekülwolke ursächlich ist. Gemessen an anderen Kräften, die innerhalb solcher Nebelkomplexe vorkommen, sind diese aber eher gering. Werden Gase durch die UV-Strahlung energiereicher Sterne ionisiert, wirken andere Kräfte wie Sternwinde und vor allem Magnetfelder stärker als die Gravitation. Auf diese Weise werden diese heißen Gase in der Umgebung verteilt und liefern somit keinen direkten Beitrag zur Sternentstehung mehr. Ist allerdings die Materiekonzentration um einen sich entwickelnden Stern über ein bestimmtes Maß angewachsen, kann die entstehende Wärme nicht mehr in größeren Mengen abgestrahlt werden. Und die Kontraktion der Molekülwolke, die schließlich genug Wärme in einem Protostern erzeugt, kann nun auch das atomare Feuer des jungen Sterns zünden [4].

 Dass die Sternentstehung noch lange nicht abgeschlossen ist, machen auch die im Zentrum von NGC 281 befindlichen kompakten Staub- und Gasgebilde deutlich. Es sind Bok-Globulen, die nach ihrem Entdecker benannt wurden. Bart Bok hatte 1947 derartige Objekte untersucht und als Erster erkannt, dass es sich um Objekte handelt, in denen Sterne neu entstehen, aber sich noch in der Frühphase der Sternentwicklung befinden. Erst mit der Hilfe der Infrarot-Fotografie konnte man in diese kompakten Molekülwolken vordringen. Somit schließen diese Gas- und Staubgebilde eine Kette von Entwicklungsschritten, mit denen wir die Sternentstehung und somit wichtige Prozesse im Kosmos besser verstehen können [5]. Eine Aufnahme des Hubble-Teleskops zeigt eine dieser Bok-Globulen besonders detailreich.

In einer Kompositaufnahme der Weltraumteleskope Chandra und Spitzer erkennt man sehr deutlich die besonders energiereichen Bereiche innerhalb des Nebelkomplexes [6]. Der Prozess der Materieverteilung durch Sternwinde wird in dieser Aufnahme veranschaulicht. Die Purpur eingefärbten Bereiche zeigen dabei die Strahlung im Röntgenbereich mit der höchsten Energiedichte. Interessant ist ebenfalls ein von der NASA veröffentlichtes Komposit, das den energiereichen Röntgenbereich in einer Aufnahme im Licht des sichtbaren Spektrums vereinigt.

 NGC 281 wurde am 16. November 1881 von Edward Emerson Barnard entdeckt. Die scheinbare Größe beträgt 35' x 30' und die Entfernung ca. 9500 Lichtjahre [7]. Errechnet man aus diesen Daten die wahre Größe, so kommt man auf eine tatsächliche Ausdehnung von 97 x 83 Lichtjahren. Damit ist dieser Nebelkomplex um ein Vielfaches größer als der bekannte Orionnebel, der mit einem Durchmesser von ca. 20 Lichtjahren gemessen wird.

Quellen:

[1] http://adsabs.harvard.edu/abs/1997AJ....113.2116G

[2] http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/sim-id?Ident=**%20BU%201AB

[3] http://articles.adsabs.harvard.edu//full/1956BAN....13...77P/0000077.000.html

[4] Jeffrey Bennett, Megan Donahue, Nicholas Schneider, Mark Voit, Astronomie - Die kosmische Perspektive S 766 bis S 786

[5] http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2006/13/

[6] http://www.spitzer.caltech.edu/images/4767-sig11-014-Living-the-High-Life

[7] http://lexikonn.de/NGC_281