Messier 16 - der Adlernebel Info:


Der Adlernebel

©Gerald Willems

 Die Milchstraße, wie sie sich in den südlichen Sternbildern Skorpion, Schlangenträger, Schlange und Schütze zeigt, beherbergt die zentralen Gebiete unserer Heimatgalaxie. Sicher ist es leicht vorstellbar, dass mit dem Blick in Richtung dieses Zentrums mit einer besonders hohen Dichte von Sternen, Gas und Staub zu rechnen ist. Und so ist es auch – in kaum einer anderen Region unserer Milchstraße finden wir Gas- und Staubformationen, Sternhaufen und ausgedehnte Sternwolken in einer so hohen Dichte. Ein Ausflug mit einem einfachen Feldstecher macht bereits deutlich, dass es dort zahlreiche auffällige helle Objekte gibt. Der Blick durch ein Fernrohr zeigt schließlich die Fülle und Vielseitigkeit der dort versammelten kosmischen Objekte. In diesem AdM soll es um ein sehr prominentes Objekt dieser Region gehen: den Adlernebel.

 Wenn wir uns mit dem Adlernebel beschäftigen wollen, müssen wir uns zunächst um die Begrifflichkeit der Katalognummer “M16“ auf der Messierliste kümmern. In der Regel verbinden wir mit dem Adlernebel diesen sechzehnten Eintrag in Messiers Liste nebliger Objekte. Bei “Messier 16“ handelt es sich aber in erster Linie um einen offenen Sternhaufen junger Sterne, der 1745 bis 1746 von Philippe Loys de Chéseaux entdeckt wurde. Von den umgebenden nebligen Gebieten bemerkte Philippe Loys de Chéseaux offenbar nichts. Im NGC erhielt dieser Sternhaufen später die Nummer 6611. Im Juni 1764 fand Charles Messier, unabhängig von de Chéseaux, diesen Sternhaufen ebenfalls. Messier beschrieb, dass diese Sterne wie in einem Netz aus schwachem Glühen eingebettet wären. Wenn wir also nur den Adlernebel betrachten, können wir getrost Messier als seinen Entdecker ansehen. Auch die späteren Beobachtungen von Wilhelm und John Herrschel berichten wieder nur von einem Sternhaufen. Der Nebel selber wurde erst 1908 als IC 4703 in den NGC / IC aufgenommen [1]. So, wie es in zahlreichen Publikationen üblich geworden ist, benenne ich im Folgenden den Gasnebel mit M 16 und den Sternhaufen mit NGC 6611.

Der Adlernebel befindet sich im Sternbild Serpens (Schlange), dicht an den Grenzen zu Sagittarius (Schütze) und zu Scutum (Schild) in einer Entfernung von ca. 7000 Lj. Die Ausdehnung des Sternhaufens erscheint uns dabei mit ca. 8 Bogenminuten, die des umgebenden Gasnebels mit ca. 35 x 28 Bogenminuten. Das gesamte Gebiet ist eingebettet in die so genannte Serpens-OB1-Assoziation [4]. Dieser Region vorgelagert befindet sich galaktischer Staub, wie er auch in den Spiralarmen anderer Galaxien vorgefunden werden kann. Die Extinktion dieser Staubpartikel schwächt das Licht des Sternhaufens und des Adlernebels [5].

 M 16 als Geburtsstätte extrem junger Sterne:
Wie in ähnlichen Regionen sind die Vorgänge im Nebelgebiet sowie im Sternhaufen von besonderem Interesse für die Wissenschaft. Die gesamte Nebelregion ist ein Gebiet mit großer Sternentstehungsrate. Das dort vorhandene Gas und der zu beobachtende Staub waren zum Großteil der Urstoff für die außerordentlich starke Sternentstehung. Nicht nur der Sternhaufen NGC 6611 stammt aus dieser ersten Sternentstehungsphase, auch die aktuell stattfindenden neuen Sterngeburten sind auf die dichten Gas- und Staubmengen zurückzuführen. Dabei sind es diese jungen Sterne, die nun mit ihrer energiereichen Strahlung den noch vorhandenen Wasserstoff ionisieren und damit zum Leuchten anregen. Das Alter dieses jungen Sternhaufens wird mit etwa 1,2 bis 1,8 Millionen Jahren angegeben [2]. Die energiereichsten Sterne in NGC 6611 sind vom Spektraltyp O und B, der hellste von ihnen leuchtet mit einer scheinbaren Helligkeit von 8,2 mag. Ausgehend von einigen dieser jungen, heißen Sterne hat man Duzende von bogenförmigen Stoßfronten gefunden. Man schließt daraus, dass es sich bei der Region des Sternhaufens NGC 6611 um eine der massereichsten Regionen der Galaxis handelt [3]. Aktuelle Untersuchungen von Wissenschaftlern der Europäischen Südsternwarte (ESO) von 2009 haben neue Aufschlüsse über die äußerst aktiv verlaufende Sternentwicklung in M 16 hervorgebracht. Mit Hilfe des Weltraumteleskops Spitzer wurden 458 Sterne gefunden, die noch eine zirkumstellare Scheibe besitzen. Aus zahlreichen ähnlichen Beobachtungen weiß man, dass sich derartige Plasmascheiben nur in den ersten wenigen hunderttausend Jahren der Lebensperiode eines Sterns erhalten. Diese Sterne haben ihr Hauptreihenstadium noch nicht erreicht und damit auch ihr Wasserstoffbrennen noch nicht vollständig gezündet.

 Viel Staub in der Region:
Sämtliche gezeigten Aufnahmen zeigen die Region um den Sternhaufen nicht nur mit dem typischen roten Wasserstoff-Leuchten, sondern auch mit zahlreichen dunklen, eingebetteten Materiegebilden. Diese Säulen, die gerne „Elefantenrüssel“ genannt werden, sind auch in zahlreichen ähnlichen Regionen der Milchstraße anzutreffen. In M 16 wurden sie mit dem Namen “Säulen der Schöpfung“ getauft – und das aus durchaus gutem Grund. In ihrem Inneren entstehen zurzeit einige der jüngsten Sterne. Diese jungen Sternenembryos haben die Hauptreihe des HRD (Hertzsprung-Russell-Diagramm) noch nicht erreicht und das Wasserstoffbrennen läuft noch nicht unter Gleichgewichtsbedingungen ab. Vielfach besitzen diese Sterne noch ihre Akkretionsscheibe, aus denen sie ihren Massevorrat weiter aufbauen. Im Inneren dieser Elefantenrüssel gibt es bereits entwickelte O-Sterne, die ihre Energie in Form von erhöhter IR-Strahlung nach außen geben. Die Ränder der Elefantenrüssel leuchten, hier ist das Gas also ionisiert. In astronomischen Arbeiten werden sie als “bright rims“ bezeichnet. Das nach außen getriebene Gas kollidiert mit der Materie der Umgebung, bildet Stoßfronten aus, an denen das vorhandene Wasserstoffgas ionisiert und ebenfalls Licht aussendet [6].

Mit Hilfe des 2,2 m Teleskops der Universität Hawaiis konnten im nahen Infrarot besonders an den Enden der Staubsäulen junge Sterne (YSO) detektiert werden. Dabei fiel auf, dass die Ausrichtung der Säulen-Enden in Richtung des Zentrums des Sternhaufens NGC 6622 ausgerichtet sind [7]. Gestützt wird diese Beobachtung durch Aufnahmen des Röntgensatelliten Chandra, mit dem Radioquellen innerhalb der Säulenspitzen gefunden wurden [8]. Diese Beobachtung ist für junge, noch in der Entwicklung befindliche Sterne typisch. Natürlich wurde die Region auch mit dem Infrarot-Teleskop Spitzer untersucht. Bei genauerem Hinsehen bemerkt man außerhalb der Elefantenrüssel so genannte Globulen. Auch diese dunklen, nicht ionisierten Gebilde bestehen aus Staub und neutralem Wasserstoff. An den Rändern dieser eher kleinen Gebilde kann man ebenfalls helle Bereiche (bright rims) erkennen. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass dort die gleichen Vorgänge ablaufen, wie gerade für die großen Elefantenrüssel beschrieben [10].

Wie kommen die Elefantenrüssel zustande?
Betrachtet man die zahlreichen Elefantenrüssel, so könnte man meinen, sie würden durch irgendwelche Kräfte aus den umgebenden Staubformationen in das Zentrum der Region hineingetrieben. Es ist aber ganz anders – geradezu umgekehrt.

 Der Offene Sternhaufen NGC 6611 ist mit einer scheinbaren Helligkeit von 6,4 mag einer der helleren Offenen Haufen. Der bereits oben genannte hellste Stern dieses Haufens ist der O4-Stern HD 168076 mit 8,18 mag. Bemerkenswert ist, dass drei der massivsten Haufensterne 5-mal mehr ionisierende Strahlung abgeben als der gesamte Sternhaufen im Orion-Trapez [11]. Dabei geht von den Haufenmitgliedern ein enormer Sternenwind aus, der rund um den Offenen Sternhaufen alles Material nach außen treibt. Auch die kalten Staub- und Gasanteile des neutralen Wasserstoffs und der Molekülwolken, die das Entstehungsmaterial für diese Region überhaupt lieferten, werden nach außen bewegt Da, wo die vorhandene Materie größere Dichtewerte aufweist, widersteht sie zunächst einmal dem Strahlungsdruck und dem Sternenwind. Die Folge: es bleiben unregelmäßige Anteile in der Form dieser Säulen stehen, die sich jedoch im Laufe der Zeit auflösen werden. Gleichzeitig wird das Material im Bereich der Säulen komprimiert und die Erzeugung der bereits beschriebenen jungen Sterne weiter beschleunigt („sekundäre Sternentstehung“). Die Folgen dieser Sternentstehung wurden weiter oben bereits beschrieben [12].

 

M 16 im Norden nicht so einfach:
Das Problem, das sich uns stellt, ist die Lage gepaart mit der Jahreszeit, in der diese Region um Schütze, Schlangenträger und Adler uns zugänglich ist. Besonders von nördlichen Regionen aus verschärft sich dieses Problem. So kommt es, dass die beste Jahreszeit für Beobachtung und Fotografie das Frühjahr in der zweiten Nachthälfte wird. Von April bis Mitte Mai wird es noch dunkel. Die von uns gesuchten Objekte befinden sich im Südosten und haben Gelegenheit noch an Höhe zu gewinnen. Im Sommer sind die Nächte im Norden Deutschlands bereits so hell, dass selbst das visuelle Aufsuchen der hellen Objekte zu einem gewissen Problem wird. Erst Ende August finden wir wieder die Dunkelheit in den Nächten vor, die eine erfolgreiche Beobachtung und Fotografie ermöglicht. Dann aber befindet sich die Region bereits im Südwesten und verliert beständig an Höhe. Zur Fotografie sind alle Brennweiten interessant. Die Übersichtsaufnahmen und Detailaufnahmen, wie sie unten zu sehen sind, zeigen das deutlich.

Quellen:

 [1] http://www.seds.org/messier/m/m016.html

[2] http://astrobib.u-strasbg.fr:2008/cgi-bin/cdsbib?2008A%26A...489..459M

[3] http://astrobib.u-strasbg.fr:2008/cgi-bin/cdsbib?2008A%26A...490.1071G

[4] http://galaxymap.org/drupal/node/60

[5] http://www.earthsky.org/tonightpost/clusters-nebulae-galaxies/the-great-rift-in-the-milky-way

[6] http://articles.adsabs.harvard.edu//full/1956BAN....13...77P/0000077.000.html

[7] http://www.iop.org/EJ/article/1538-4357/565/1/L25/15844.text.html

[8] http://chandra.harvard.edu/photo/2007/m16/

[9] http://www.nasa.gov/centers/jpl/news/spitzer-20070109.html

[10] http://www.astronomie.de/fachbereiche/astrofotografie/2009/37/index.htm

[11] OLIVEIRA J.M., JEFFRIES R.D., VAN LOON J.T.: The low-mass initial mass function in the young cluster NGC 6611. Mon. Not. R. Astron. Soc., 392, 1034-1050 (1/2009)

[12] Peter Riepe, Vortrag zum Thema “bright rims" auf dem Deep-Sky-Treffen 2010