Abell 426 - der Perseus-Galaxienhaufen


Der Perseus-Galaxienhaufen
(Abell 426)

©Gerald Willems

Wer sich mit Galaxien beschäftigt, wird sich kaum der Faszination dieser fernen Sterneninseln entziehen können. Die ungeheuren Entfernungen im Vergleich zu den Größen innerhalb unserer Milchstraße lassen jede Vorstellung scheitern. Es bleiben oft nur Zahlen, mit denen wir versuchen diese Dimensionen zu erfassen. Wir als Amateure sind mit den heutigen modernen Mitteln durchaus in der Lage, zumindest zu beobachten und schließlich auch fotografisch zu dokumentieren, wie die kosmische Welt außerhalb unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, aussieht. Dazu möchte ich die Aufmerksamkeit auf einen besonders abgelegenen Ort im Universum lenken. In einer Entfernung von ca. 230 Millionen Lichtjahren befindet sich eine der besonders reichen Ansammlungen von Galaxien: der Perseus-Galaxienhaufen.

Man kann sagen, dass Galaxienhaufen wohl die größten bekannten gravitativ gebundenen Objekte im Universum sind, die durch den Zusammenschluss großer und kleinerer Galaxiengruppen entstanden sind.
Der Deutsche Heinrich Ludwig d'Arrest gilt als einer der bedeutendsten visuellen Beobachter des 19. Jahrhunderts. Mit der Beobachtung der sechs hellsten Mitglieder kann man die Entdeckung des Perseus-Galaxienhaufens ihm zuschreiben [1].

 Das Zentrum des Perseus-Galaxienhaufens wird durch die hellen Galaxien NGC 1277 und NGC 1275 markiert. NGC 1275 ist aber der bemerkenswertere Vertreter in diesem Galaxienhaufen. Neuere Aufnahmen mit der Wide Field Planetary Camera 2 (WFPC2) des Hubble-Weltraumteleskops zeigen, dass NGC 1275 gerade mit einer zweiten Galaxie kollidiert. Es soll sich dabei um eine riesige elliptische Galaxie im Hintergrund von NGC 1275 handeln. Den Untersuchungen nach scheinen die beiden Sternensysteme mit einer Geschwindigkeit von über zehn Millionen Kilometern pro Stunde zu kollidieren. Beim Zusammenschluss der ungeheuer großen Massen kommt es zur Freisetzung enormer Energiemengen.

 Im Jahre 1943 beschrieb Carl K. Seyfert die besonderen Spektren, die in den Zentren mancher Galaxien zu beobachten waren. Solche Galaxien wurden danach Seyfert-Galaxien genannt. So auch NGC 1275. Was hat es mit dieser Besonderheit auf sich [2] ?

 Die Kollision mit der im Hintergrund befindlichen großen elliptischen Galaxie befördert große Mengen an Staub und Gas in das Zentrum von NGC 1275. So, wie auch in vielen anderen Galaxien, kann man davon ausgehen, dass sich im Zentrum ein sehr massives Schwarzes Loch befindet. Durch den Zustrom der großen Materiemengen kommt es zu heftigen Aktivitäten im Bereich des Zentrums, insbesondere in der Umgebung des Schwarzen Lochs. Hierin kann auch die Erklärung für die besonders starke Ausstrahlung von Radiowellen und Röntgenstrahlung angesehen werden [3]. Wegen der Strahlung im Radiowellenbereich wird NGC 1275 auch Perseus A genannt.

 Kommen wir aber zurück zum Perseus-Galaxienhaufen. Seit etwa zwanzig Jahren wird von den Astronomen eine merkwürdige Erscheinung innerhalb von Galaxienhaufen beobachtet. Ganz besonders aber in Abell 426, dem Perseus-Galaxienhaufen. Man hat Radiowellen aussendende Gebiete lokalisiert, die sich fernab von irgendwelchen Massenzentren befinden. Man spricht hier von Radiohalos und Radiorelikten [4].

Bei der Entstehung eines Galaxienhaufens werden ungeheure Energiemengen frei. Nach der Abkühlung im Laufe einiger hundert Millionen Jahre sollte es eigentlich zu keiner weiteren Freisetzung von Radiowellen und Röntgenstrahlung außerhalb der Massezentren kommen. Christoph Pfrommer und Torsten Enßlin vom Max-Planck-Institut für Astrophysik haben dafür lichtschnelle Protonen als Energiespeicher als Szenario vorgeschlagen. Diese Teilchen kollidieren in dem sehr dünnen Gas nur sehr selten und behalten daher einen Teil ihrer ursprünglichen Energie über Milliarden von Jahren. Erst wenn diese Teilchen in dichtere Bereiche gelangen, kommt es zur Kollision mit dort vorhandenem Gas. Es entstehen so genannte Pionen, die wiederum in Positronen und Elektronen zerfallen und anschließend um die Magnetfeldlinien des Galaxienhaufens kreisen. Durch ihre hohe Geschwindigkeit geben die Elektronen einen Teil ihrer Energie ab, die nun von Radioteleskopen registriert werden kann. Berechnungen haben gezeigt, dass verhältnismäßig wenige dieser lichtschnellen Protonen notwendig sind, um dieses Radioleuchten zu erzeugen.

 Aber Perseus A (NGC 1275) ist für noch weitere Überraschungen gut. Mit dem Weltraumteleskop Chandra, das im Röntgenbereich arbeitet, wurden wellenförmige Strukturen registriert, die nur von dem Schwarzen Loch im Zentrum von Perseus A ausgehen können [5]. Es handelt sich dabei um Schallwellen, die dem Ton H entsprechen, aber 57 Oktaven unter dem mittleren C liegen. Diese “Schwarze-Loch-Akkustik“ könnte Hinweise dazu liefern, wie Galaxienhaufen wachsen.

 Auffällig ist es, dass man in Galaxienhaufen sehr viel heißes Gas, aber verhältnismäßig wenig kühles Gas findet. Heißes, Röntgenstrahlung aussendendes Gas sollte sich eigentlich im Laufe der Zeit abkühlen. Warum das nun aber nicht so ist konnte bisher nur unzureichend erklärt werden. Die beobachteten Schallwellen könnten nun eine Erklärung für diese Aufheizung liefern.

 Im Zentrum des Perseus-Galaxienhaufens hat man zwei blasenförmige Aushöhlungen im Röntgenbereich festgestellt [6]. Diese Aushöhlungen werden durch extrem energiereiche Jets regelrecht ausgeblasen. Gleichzeitig geht von diesen Aushöhlungen starke Radiostrahlung aus. Die ursprünglich aus dem Jet des Schwarzen Lochs ausgesandte Energie wird durch die beobachteten Schallwellen nach außen transportiert und sorgt für eine fortwährende Aufheizung der Gasmassen im Galaxienhaufen.

 Der Perseus-Galaxienhaufen befindet sich etwa 2,5 Grad nord-östlich von Beta-Persei (Algol) und ist durch die helle NGC 1275 verhältnismäßig leicht aufzufinden. Die scheinbare Ausdehnung des gesamten Galaxienhaufens ist nur schwer eindeutig festzulegen. Nach meinen Recherchen gehe ich von einer Ausdehnung von etwa 4 Grad aus, wobei es eine deutliche Ausrichtung in Nord-Ost-Richtung gibt.

 Einzelheiten sind nur Beobachtern mit großen Geräten ab 10“ Öffnung vorbehalten. Auch fotografisch offenbaren sich Einzelheiten erst ab größerer Öffnung und Brennweite. Auch hier dürfte die Untergrenze bei 10“ Öffnung und ca. 1200 mm Brennweite liegen. Für Übersichtsaufnahmen sind natürlich kleinere Optiken sinnvoll.

Quellen:
[1] http://www.klima-luft.de/steinicke/Artikel/darrest/darrest.htm

[2] http://www.astronews.com/news/artikel/2003/05/0305-001.shtml

[3] http://www.mpe.mpg.de/xray/wave/rosat/gallery/calendar/1994/sep.php?lang=de

[4] http://www.mpa-garching.mpg.de/HIGHLIGHT/2003/highlight0309_d.html

[5] http://www.mpa-garching.mpg.de/HIGHLIGHT/2001/highlight0103_d.html

[6] http://www.astronews.com/news/artikel/2003/09/0309-008p.html

Weitere interessante Links:
http://seds.org/~spider/spider/Misc/n1275.html

http://chandra.harvard.edu/photo/2000/perseus/index.html

http://heritage.stsci.edu/2003/14/supplemental.html